Revolutionäres Feuer der Jugend, lauwarme Rauchschwade des Alters. Nicht einmal mehr heiß und dicht genug, um ein Stück Tofu zu räuchern. Was passiert, dass aus dem jugendlichen Wirbeln, Wollen und Grollen so vieler linker Intellektueller nach ein paar Jahren Berufsalltag nicht mehr bleibt, als der zaghafte Versuch, das Kartenhaus durch den eigenen Dachausbau zum Einsturz zu bringen?

Der Honigtopf ist’s. Jener der Selbstverwirklichung – so die (etwas all zu) einfache Antwort. Auf dem Weg in sein Inneres bleiben die Glieder junger Klassenkämpfer*innen an den Wänden kleben. Schritt für Schritt quälen, entbeinen und verstümmeln sie sich. Schritt für Schritt. Bis sie nur noch Rumpf sind und stürzen. Verschlungen vom süßen Lohn ihrer Mühsal, der sich nun über ihnen erbricht. Eingelullt und abgesoffen.

Auf ein paar Zeilen gekürzt, bringt das in etwa einen Beitrag auf den Punkt, den ich vor kurzem im Lower Class Magazine gelesen habe. Frage und Antwort – beide fand ich interessant. Die Lektüre hatte dann aber so gar nichts mit der Süße des Honigs gemein. Eher glich sie dem Weg durch ein Dornengestrüpp. Jeder Stachel eine der überspitz(t)en Pauschalerklärungen, die der Text bereithielt, um sie arglosen Leser*innen ins Fleisch zu bohren. Einmal im Dickicht, war’s zu spät umzukehren. Und überhaupt. Trotz der bösen Worte – am Ende versprach der Text dann ja doch Interessantes zu schlussfolgern. Bevor’s dazu kam, hieß es aber erst mal bluten.

Linke Intellektuelle – so Dorn Nummer eins – arbeiten gerne auf den Unis und in NGOs. Von dort aus wollen sie sich selbst verwirklichen und die Welt verändern. Zum Verdruss der jungen Linken – so Dorn Nummer 2 – muss aber bald festgestellt werden: auch Unis und NGOs finden ihren festen Platz im verhassten System. Ihre systemerhaltende Funktion wird ihnen zur Identität. Und genau die sollen junge, linke Intellektuelle in ihren ersten Berufsjahren dort glaubhaft verkörpern. Mehr noch: sie sind dazu genötigt diese Identität einzusaugen, zu verinnerlichen, zu übernehmen. Zumindest wenn sie näher an den Honig wollen. In ihrem Zwang die Organisationsidentität zu übernehmen, stellen sie dabei – so stachelt Dorn Nummer drei – eine spezifische Gruppe dar. Von Anderen – Programmierer*innen, Foodora-Lieferant*innen, Schreiner*innen – dadurch unterscheidbar, dass ihr Arbeitsprodukt kein ihnen äußerliches ist. Ihr Produkt sind sie selbst. Ihre Gedanken. Ihr Beitrag zur diskursiven Formation. Den letzten Kratzer verpasst uns die resümierende Einsicht, solche Organisationen am besten gleich ganz zu boykottieren und stattdessen in sozialarbeiterischen Kontexten tätig zu werden. Das Bedürfnis sich intellektuell zu betätigen soll stattdessen ehrenamtlich in diesen Organisationen gestillt werden. Ehrenamtlich und somit frei(er) von den Zwangsmechanismen der Erwerbsarbeit.

Nachdem wir uns durch dieses Gestrüpp gekämpft haben und bevor wir uns in den wohltuenderen Strahlen der Erkenntnis sonnen können, wollen wir kurz die eingefangenen Splitter aus unserem Fleisch ziehen. Wir wollen ja nicht, dass das zu eitern beginnt …

Retorteneinhörner

Der Text ist zwar mit jungen Intellektuellen gepflastert, als wären sie Triggerwortvorschläge eines neuen SEO-Tools. Bis zum Ende des Beitrags wird aber nicht klar, wer denn nun genau Teil dieser Gruppe ist. Fest steht: sie alle scheinen einer Sozialisationsquetsche zugeführt worden zu sein, die weitaus effektiver als das neueste Juicero-Modell arbeitet und an deren Ende ein grauer, homogener Matsch ins Behältnis der Gesellschaft tröpfelt. Frisch gepresst. Just für diesen Text. Dieser ganze Glibber wackelt scheins geschlossen in eine Richtung: Uni, NGO, Kulturinstitution. Nun gut – als Erfordernis der Analyse müssen wir erst mal einen Schritt zurücktreten, das gesteh‘ ich schon ein. Was aber noch zu analysieren bleibt, nachdem das Fruchfleisch filtriert und jeder noch so kleine Unterschied auf den Bio-Müll der Abstraktion geworfen wurde, muss dann doch mal kurz gefragt werden. Zumindest läuft mensch so nicht Gefahr sich an den eigenen Argumenten zu verschlucken.

Intellektuelles Alleinstellungsmerkmal

Das Alleinstellungsmerkmal Intellektueller ihr eigenes Produkt zu sein und der Zwang zur authentischen Verkörperung der Organisationsidentität. Auf den ersten Blick scheint das recht plausibel. Die Qualität eines Werkstücks, das abgeliefert wird, hängt vermutlich weniger davon ab, ob die Ansichten der Chefetage tatsächlich und umfassend geteilt werden (aus Widersprüchen resultierende Akte der Sabotage mal ausgenommen). Ob die Authentizitätskonflikte linker Intellektueller bei Agenda Austria sich aber maßgeblich von Angestellten eines Bio-Bauernhofs unterscheiden, die in ihrer Freizeit am liebsten Eier aus Legebatterien kaufen, wage ich zu bezweifeln. Dieser Konflikt ist nach außen hin bei der einen Gruppe mitunter weniger stark am erzeugten Produkt ablesbar, als bei der anderen Gruppe. Unabhängig vom Produkt erwarten Organisationen in vielen Fällen aber vermutlich, dass ihre Mitarbeiter*innen Konformität zu den zentralen Grundwerten zum Ausdruck bringen und diese verkörpern. Beide Fälle sind damit durch ein zunehmendes Eindringen und die Dominanz der Erwerbsarbeit in bzw. über Bereiche der Freizeit geeint. Ob der Glibbermasse der Intellektuellen durch diese scheinbare Alleinstellung gedient ist, wage ich zu bezweifeln.

Guter Rat, besser als jede Tat

Am verzichtbarsten war vermutlich der wohlgemeinte Rat, sich in diesen Organisationen nur ehrenamtlich zu engagieren und den Brotverdienst in andere Sphären auszulagern. Die Sozialarbeit als scheinbares Alternativziel der Glibbermasse. Grundsätzlich ist der Gedanke nachvollziehbar, sich die eigene Bewegungsfreiheit zu bewahren indem mensch sich nicht durch die Zwänge der Erwerbsarbeit erpressbar macht. Am Ende liest sich das dann aber doch irgendwie so, als lebten junge, linke Intellektuelle in einer post-kapitalistischen Welt. Als seien sie nicht mehr umfassend von den Zwängen des Broterwerbs betroffen oder als hätten sie die Möglichkeit, Arbeitsverträge frei nach individuellen Gelüsten abzuschließen. Abgesehen davon lenken diese Institutionen wohl auch nicht rein durch ökonomische Abhängigkeiten in konformere Bahnen. Und so lockt am Ende doch auch in der Ehrenamtlichkeit der Honigtopf der Selbstverwirklichung: Illussion, Verschleierung erwerbsarbeitlicher Zwänge, Refeudalisierung des Arbeitsrechts. Was diese klebrigen Wände nicht auszurupfen schaffen, fällt vermutlich auch in der Ehrenamtlichkeit dem schneidenden Blick des Scheinmäzenatentums zum Opfer.

Keine Freiheit in der Erwerbsarbeit

Nachdem wir nun auch die letzten Dornen losgeworden sind und nichts mehr sticht, haben wir die Gelegenheit, ein wenig von unserem süßen Blut zu kosten. Keine Freiheit in der Erwerbsarbeit. Das unterstreicht der Beitrag, wenn er dazu rät, die eigene Karriere(planung) nicht als individuelles Selbstverwirklichungsprojet misszuverstehen, sondern die gesammelten Erfahrungen vielmehr einer breiten, politischen Diskussion zugänglich zu machen. Dabei gilt es sich aber zu allererst in die breite Masse der Arbeitskraftgeber*innen einzuordnen. Junge, linke Intellektuell trennt von Fabriksarbeiter*innen wohl weniger, als der erste Blick Glauben macht. Außer vielleicht die mitunter ungleich verteilte Verblendung Zwang der Erwerbsarbeit als wohlwollendes Stoßen zu interpretieren. Wie dem auch sei. Erst auf Basis dieser Gemeinsamkeiten ist es sinnvoll, die Besonderheiten der eigenen Produktionsbedingungen herauszuarbeiten. Nämlich sowohl die Unterschiede zu anderen Gruppen des Erwerbslebens, als auch innerhalb dieser scheinbar so homogenen Glibbermasse linker Intellektueller.